Rehwildmanagement bei naturnaher Waldbewirtschaftung im Alpenraum
Eine veränderte Forstwirtschaft schafft deckungsreiche Waldstrukturen und eine hohe Nahrungsverfügbarkeit. In Kombination mit einer veränderten Freizeitnutzung und einem erhöhten Jagddruck erzeugt dies immer öfter eine Situation, in der Rehe trotz steigender Dichten „unsichtbar“ werden. Eine moderne Rehwildjagd benötigt neue Strategien und Daten, die die Wirksamkeit dieser Strategien überprüfbar machen.
Dank eines kooperativen Forschungsprojektes haben wir das Glück, einige dieser aus der Praxis geborenen Fragen mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Die Projektpartner bei dieser Studie sind die Leobner Realgemeinschaft, der Forstbetrieb Kletschach sowie das Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der BOKU. Mitfinanziert wird die Untersuchung von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Die zwei benachbarten Forstbetriebe liegen in der Obersteiermark (Bezirke Leoben und ehemals Bruck-Mürzzuschlag). Das Projektgebiet erstreckt sich über eine Fläche von ca. 2600ha und reicht von 750 bis 1655m Seehöhe. Die Fläche ist zu 95% bewaldet und wird von einem wüchsigen und deckungsreichen Fichtenwald mit beigemischter Lärche, Tanne und Laubholz dominiert. Die großflächig auftretende Naturverjüngung hat für das Rehwild zu einer Verbesserung der Nahrungsverfügbarkeit und des Sichtschutzes geführt.
Fragestellungen:
Wie wirkt sich die Einstellung der Winterfütterung auf die lokale Rehwildpopulation und die Verbisssituation in den Betrieben aus?
Wodurch ist die jagdliche Sichtbarkeit des Rehwilds in den Betrieben beeinflusst und wie lässt sich die Bejagung effizienter gestalten?
Um diese Fragestellungen bearbeiten zu können, mussten wir die Raumnutzung des Rehwilds sichtbar machen. Ab dem Jahr 2007 wurden dazu Rehe in Kastenfallen gefangen, beidseitig mit farbigen Ohrmarken markiert und zusätzlich mit GPS-Halsbändern ausgestattet. Diese Halsbänder zeichnen die Positionen und die Aktivität der Rehe auf und senden diese Daten an unsere Bodenstation in Wien. Zusätzlich wurden in dieser Studie erstmals 30 batteriebetriebene Zeitrafferkameras eingesetzt. Vereinfacht gesagt haben wir 30 „digitale“ Jäger, die vom ersten Büchsenlicht bis in die Abenddämmerung bei jedem Wetter und jeden Tag über drei Jahre aufgezeichnet haben, wann und wie lange Rehwild „sichtbar“ war. Mithilfe dieser Aufnahmen konnte die jagdliche Sichtbarkeit über den Tages- und Jahresverlauf sowie bei verschieden Witterungsverhältnissen dokumentiert werden. Der Jagddruck wurde durch die Aufzeichnung jagdlicher Aktivitäten wie Ansitz, Pirsch oder Fahrten durchs Revier sowie Erlegungsdaten quantifiziert. Wir konnten so überprüfen wie sich eine experimentelle Veränderung des Jagddrucks auf die Rehwildsichtbarkeit und die „unsichtbare“ Raumnutzung in Deckung und in der Nacht auswirken. Die Feldarbeit für dieses Projekt wurde mit Dezember 2014 abgeschlossen.